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"Forum hat das politische Klima verbessert"

Brigit Wehrli-Schindler, Direktorin der Fachstelle Stadtentwicklung in Zürich, über die Erfahrungen mit dem Stadtforum Zürich.

Brigit Wehrli-Schindler: "Das Ziel des Stadtforums war es, die Blockierungen in der Diskussion um die Stadtentwicklung aufzuweichen."

(Foto: Copyright Dominik Labhardt)



Warum ein Stadtforum? In Zürich hat der langjährige Streit zwischen der Stadtverwaltung und der Wirtschaft beziehungsweise zwischen der Stadt und dem Kanton um die Bau- und Zonenordnung zu einer derartigen Vergiftung des Klimas geführt, dass die Diskussion fast nur noch auf juristischer Ebene geführt wurde. Besonders umstritten war dabei die Frage nach der Art der künftigen Nutzung der Industriebrachen im Industriequartier im Westen der Stadt Zürich.


Von Brigit Wehrli-Schindler

Der Stadtteil "Zürich-West", der die Kreise 4 und 5 sowie Teile von Altstetten umfasst und sich vom Hauptbahnhof entlang der Limmat, der Autobahn und den SBB-Geleisen bis an die Stadtgrenze gegen Schlieren erstreckt, ist aber auch ein mehrfach belastetes Gebiet. Stichworte wie Letten, Drogen, Rotlichtquartier, überdurchschnittlich viele Sozialfälle und die Verkehrsbelastung durch die Autobahn sprechen für sich. Aus all diesen Gründen entschloss man sich, das Stadtforum auf diesen Teil der Stadt zu beschränken. Über die Probleme und Chancen dieses sehr urbanen Stadtgebietes sollte im Stadtforum ein breit abgestützter Dialog der verschiedenen Interessengruppen der Stadt geführt werden. Das Gebiet umfasst etwa 9 Prozent der gesamten Stadtfläche, 13 Prozent der Einwohner und 20 Prozent der Beschäftigten.

Das Ziel des Stadtforums
Ziel des Stadtforums war es, die Blockierungen in der Diskussion um die Stadtentwicklung in Zürich aufzuweichen. Die effektiven und vermeintlich gegensätzlichen Positionen sollten wieder miteinander ins Gespräch kommen. Mit dem Stadtforum sollte ein Prozess eingeleitet werden, in dem man einander wieder zuhören lernt, um den Boden für ein gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Es ging also nicht darum, möglichst konkrete Ergebnisse zu erzielen, sondern darum, eine breite, aber dennoch organisierte und zeitlich begrenzte Gesprächsplattform zu schaffen. Im besten Fall sollten daraus gemeinsame Vorschläge und Empfehlungen resultieren. Initiant des Stadtforums Zürich war Stadtpräsident Josef Estermann; er war auch bei allen Sitzungen als "erster Zuhörer" mit dabei. Das Stadtforum setzte sich aus acht sogenannten Bänken mit je fünf Personen, einer Lenkungsgruppe, der Leitung und einem Sekretär zusammen.
In den acht Bänken waren die verschiedenen Interessengruppen vertreten: Bewohnerinnen und Bewohner, Expertinnen und Experten, gesellschaftliche Gruppierungen, Wirtschaft, städtische Verwaltung, Umland und Kanton, Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, die parlamentarische Stadtentwicklungskommission. Die Mitglieder des Forums waren nicht als Vertretung bestimmter Institutionen, sondern als Personen eingeladen, die aufgefordert waren, ihre persönliche Meinung zu äussern.
Die Leitung des Forums setzte sich aus zwei unabhängigen Personen zusammen, dem technischen Leiter der "Regionalplanung Zürich und Umgebung" und einem externen, aus Basel stammenden Moderator. Die Sitzungen wurden von der Leitung in Zusammenarbeit mit unserer Lenkungsgruppe vorbereitet und organisiert. Zudem verfügte das Stadtforum über eine Medienbeauftragte, die dafür sorgte, dass das Stadtforum in den Medien präsent war. Die Öffentlichkeit war zu allen Sitzungen eingeladen und jeweils mit 20 bis 40 Personen anwesend. Insgesamt wurden von August 1996 bis Juni 1997 zehn Forumssitzungen, eine Auftakt- und eine Abschlussveranstaltung durchgeführt. Ein Sekretär führte Protokoll über alle Sitzungen; die Protokolle aller Referate und Diskussionen in den Foren dienen als Dokumentation des Prozesses und stehen Interessierten zur Einsichtnahme zur Verfügung.

Was hat das Forum gebracht?
Nachdem an den ersten Sitzungen die Bänke ihre Positionen einmal
bezogen hatten, fanden sich die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer in einer zweiten Phase recht schnell zu einer ähnlichen Problemsicht und einigten sich in der Folge auch auf gemeinsame Empfehlungen. Konsens bestand bei folgenden zwei zentralen Themen:
Es braucht eine städtebauliche Aufwertung des Forumsgebietes. Eine solche Aufwertung wurde vom Forum als mehrjähriger Prozess verstanden, bei dem gleichermassen die Bedürfnisse der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, der Wirtschaft und Grundeigentümer wie die Interessen von Zürich insgesamt berücksichtigt werden sollen.
Die Aufwertung soll in kooperativen Verfahren durchgeführt werden. Bei solchen kooperativen Verfahren sollen Wirtschaft, öffentliche Hand und Öffentlichkeit gleichberechtigt mitwirken. Damit wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure über das Stadtforum hinaus fortgesetzt. Schwergewichtig konzentrierten sich die Diskussionen auf folgende Gebiete: die Aufwertung des Flussraums der Limmat im engeren Sinn, auf die Entwicklung des äusseren Industriequartiers, auf konkrete Aufwertungsmassnahmen in den verkehrsmässig belasteten, multikulturell zusammengesetzten innenstädtischen Wohnmischgebieten, auf Verbesserungen für das städtebaulich isolierte und von der Autobahn stark belastete Wohngebiet Grünau in Altstetten. Die Empfehlungen und konkreten Projektideen des Stadtforums Zürich sind in einem Schlussbericht zusammengefasst.

Der Stand heute
Nachdem sowohl die Wirtschaft wie auch die Politik dem Stadtforum ursprünglich eher skeptisch gegenüberstanden, und man dem Vorhaben auch von seiten der Medien anfänglich wenig Vertrauen schenkte, hat sich die Stimmung gegen den Abschluss hin deutlich verbessert. Der Konsens, der im Stadtforum im Hinblick auf die Empfehlungen hin erzielt wurde, hat zu einer Verbesserung des politischen Klimas geführt, auch wenn der effektive Tatbeweis noch aussteht. Heute, ein halbes Jahr nach Abschluss des Forums, wird aber bereits auf eine Umsetzung der Empfehlungen hingearbeitet.
Für Sommer 1998 bis Sommer 1999 ist der eigentliche Auftakt der Aufwertung mit Massnahmen zur Verbesserung der Aussenräume geplant. Er umfasst Projekte mit definitivem und solche mit temporärem Charakter, die alle zur Verbesserung der Standortqualität von Zürich-West beitragen ­ für Grundeigentümer ebenso wie für Bewohnerinnen und Bewohner. Abgesehen von gewissen Sonderleistungen durch die Stadt Zürich sollen die Kosten für diesen Aufwertungs-Auftakt zu gleichen Teilen von der öffentlichen Hand und von den Grundeigentümern getragen werden, die davon auch profitieren.
Organisiert wird der angesprochene Prozess von einer im Anschluss an das Stadtforum gegründeten Impulsgruppe "Aufwertung Zürich-West", die sich ihrerseits wiederum aus öffentlicher Hand, Wirtschaft und Grundeigentümern sowie Bewohnerinnen und Bewohnern zusammensetzt.

Die Soziologin Brigit Wehrli-Schindler ist Direktorin der Fachstelle Stadtentwicklung der Stadt Zürich und Mitglied der Lenkungsgruppe des Stadtforums Zürich.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Basler Zeitung; copyright Basler Zeitung 1997)

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