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"Konflikte durch Beteiligung präventiv angehen"Den Sozialpartnern ist im Rahmen der "Werkstadt Basel" das Projekt "Wirtschaft und Lebensqualität" gewidmet. Christoph Eymann, Direktor des Gewerbeverbands, und Corinne Panchaud vom Basler Gewerkschaftsbund sehen die Chancen des Vorhabens und der Zusammenarbeit. BaZ: Mit der "Werkstadt Basel", wie der Aktionsplan Stadtentwicklung jetzt heisst, soll ein Prozess in Gang kommen mit dem Ziel, die Lebensqualität zu verbessern, damit das Wohnen in Basel wieder attraktiver wird und der Kanton davon auch in Form höherer Steuereinnahmen profitieren kann. Halten Sie diesen Weg für sinnvoll? Christoph Eymann: Ich halte diesen Weg für sehr sinnvoll, denn bisher musste die
Regierung aufgrund der Schuldenlast und der Defizite immer sagen,
was sich der Kanton nicht leisten kann. Mit der "Werkstadt" wird
nun das Gegenteil getan, indem breite Kreise der Bevölkerung ihre
Anliegen äussern können. Das begrüsse ich sehr. Wie ist zu erreichen, dass sich eine etwa repräsentative Zahl von Bewohnerinnen und Bewohnern beteiligen kann? Panchaud: Basel ist eine multikulturelle Stadt, und ich hoffe, dass auch
die Umfrage davon ausgeht, dass Basel dies bleibt. Die Beteiligung
sollte auch Leuten möglich sein, die eine andere Sprache als Deutsch
sprechen oder keinen Schweizer Pass besitzen. Und was halten Sie von der Beteiligung der verschiedenen Kulturen? Eymann: Das kann ich sehr begrüssen. Ich bin überzeugt davon, dass hier Begegnungen zustande kommen, die über die Befragung hinaus andauern. Zum Beispiel stellt ein Gewerbetreibender seine Werkstatt für Gespräche zur Verfügung und freut sich auf Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen. Das halte ich für ein äusserst positives Zeichen. Die Sozialpartner sind im Aktionsplan mit dem Projekt "Wirtschaft und Lebensqualität" speziell angesprochen. Hier wird die Frage gestellt, was die Sozialpartner dazu beitragen können, dass Basel für Kaderleute zu einem gesuchten Wohnort wird. Panchaud: Wenn die Sozialpartner sich allein auf die Kaderleute konzentrieren
würden, wäre es wahrscheinlich nicht ganz richtig. Wir müssen
uns fragen, welche Formen von Zusammenarbeit erforderlich sind,
welche Projekte einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Region
leisten können. Wenn es den Sozialpartnern gelingen würde, zugunsten
der Entwicklung des Gewerbes, der Arbeitsplätze sowie einer nachhaltigen
Entwicklung neue Formen zu finden, dann können wir auch die Attraktivität
der Stadt erhöhen. Denn zukunftsträchtige Arbeitsplätze locken
qualifizierte Arbeitnehmer und ihre Familien nach Basel. Es ging hier ja um ein "Bündnis für Arbeit". Wo lag denn das Problem auf Gewerbeseite? Eymann: Die Umsetzung erfordert auch eine Gefolgsbereitschaft der Basis. Auf der Seite des Gewerbes gibt es noch Clichés und Vorurteile, die nur durch sorgfältige Information und praktische Beispiele abgebaut werden können. Wir müssen zeigen, dass eine enge Sozialpartnerschaft dem Gewerbe etwas bringt. Dafür ist noch Kommunikation und Motivation erforderlich. Die Attraktivität der Stadt ist auch mit der Wohnqualität verbunden: Gibt es hier unterschiedliche Ziele? Panchaud: Zu Auseinandersetzungen dürfte es im Bereich des Verkehrs kommen,
Interessenkollisionen kann es zwischen längeren Ladenöffnungszeiten
und Lebensqualität in den Quartieren geben. Gemeinsam ist uns
sicher die Erkenntnis, dass die Stadt nicht mehr allein betrachtet
werden kann, sondern zusammen mit den angrenzenden Gemeinden beidseits
der Grenzen. Gibt es nicht auch Konflikte zwischen den Aktivitäten des Gewerbes und dem Wohnen? Gerade bei der Publikation des Lärmschutzplans hat doch der Gewerbeverband kritisiert, dass dies zum Wegzug von Betrieben führen könnte. Eymann: Ich bin überzeugt, dass es diese Konflikte gibt. Aber die vorgesehene "Werkstadt" ermöglicht es, diese Konflikte ausserhalb der üblichen Schemen wie dem Beschwerdeweg sozusagen präventiv anzugehen. Kreativ daran ist, dass die ausgetretenen Pfade verlassen werden. Man erhält die Gelegenheit einer Einigung ohne Ausmehrung an der Urne. Glauben Sie, dass die Gewerbler sich für diese Diskussionen Zeit nehmen? Eymann: An einer Informationsveranstaltung ist die "Werkstadt Basel"
vom Gewerbe positiv aufgenommen worden. Dass sie mit zeitlichem
Aufwand verbunden ist, müssen wir den Leuten sagen. Sie ist aber
auch eine Chance, mit den Quartierbewohnern ins Gespräch zu kommen
und ihnen beispielsweise die eigene Werkstatt zu zeigen. Wie sehen Sie die Möglichkeiten der "Werkstadt" am Beispiel eines Quartiers? Eymann: Mir kommt das Quartier rund um den Wettsteinplatz in den Sinn,
wo neuer Wohnraum für Familien entsteht. Dort bietet sich die
einmalige Chance, ohne Verlust für jemanden grössere Grünflächen
einzurichten. Zudem kann der Dialog dazu führen, dass die Bedürfnisse
der Bevölkerung zum Beispiel im Schulbereich oder bezüglich Einkaufsmöglichkeiten
im Verbund von Staat und Privaten erfüllt werden könnten. So könnten
Defizite aufgeholt werden, die Basel im Vergleich zu Gemeinden
in der Umgebung noch hat. Ohne die Ergebnisse der "Werkstadt" vorwegzunehmen: Was muss sich in dieser Stadt ändern, damit sie attraktiver wird? Eymann: Wichtig ist, dass wir uns nicht als Weltstadt sehen, sondern
wir sind eine mittlere Stadt an einer hervorragenden Lage in Mitteleuropa
mit Öffnungschancen über die Landesgrenzen hinaus. Wir sollten
die Gesprächskultur noch besser nutzen und den gefundenen gemeinsamen
Nenner auch umsetzen. Die Mitbestimmung in der "Werkstadt" kann
auch der Politikverdrossenheit, der Mentalität "die da oben machen,
was sie wollen" entgegenwirken. Dadurch kann vielleicht sogar
das Interesse an Politik vergrössert werden. Hat die Wirtschaftsförderung die Gewerkschaften zu wenig einbezogen? Eymann: Man nimmt einen enormen Reibungsverlust in Kauf, wenn ein Partner, der mitreden sollte, nicht von Anfang an miteinbezogen wird. Das haben wir zwischen Basel-Stadt und Baselland gesehen. In der Wirtschaftsförderung halte ich es für einen Fehler, dass die Gewerkschaften nicht voll einbezogen sind, möglicherweise lässt sich dies schon bald korrigieren. Eine Beteiligung bringt keine Schwächung der eigenen Position, sondern bietet eine Chance, auch weil die Differenzen klarer werden. Es bringt für den Standort Basel mehr, wenn sich eine breite Basis hinter ein Projekt stellen kann. So haben wir auch politisch die Mehrheit. Im anderen Fall verlieren wir Zeit für die Überzeugungsarbeit, und das können wir uns längerfristig nicht mehr leisten, gerade unter dem Zwang, im wirtschaftlichen Umfeld rasch Änderungen zu erreichen. Interview Urs Rist (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Basler Zeitung; copyright Basler Zeitung 1997) Zurück zur Übersicht der Beiträge von Personen oder zur Übersicht der Dokumentation |