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Zwischen Selbstbescheidung und Wohnlichkeits-Utopien
Unteres Kleinbasel
Das untere Kleinbasel ist das stadtweit wohl fruchtbarste und
gleichzeitig intensivst zu bearbeitende Feld für die Quartieraktivistinnen
und -aktivisten vergleichbar mit einem renovationsbedürftigen
Haus, bei dem man sich ständig vergewissern muss, ob sich die
Investitionen überhaupt noch lohnen, oder ob doch besser abgerissen
und wieder neu gebaut werden soll.
Im unteren Kleinbasel, in den Quartieren zwischen Rhein und Riehenring
also, kann der Begriff der Wohnlichkeit noch geschärft werden.
Und die quartierstechnische Kinderverträglichkeitsprüfung liesse
sich hier pilotmässig auch gleich ausprobieren: Die dichtüberbauten
Quartiere Matthäus und Klybeck verzeichnen nicht nur die wenigsten
Grünflächen, sondern auch den grössten Ausländeranteil im Kanton
Basel-Stadt. Und sie weisen prozentual und absolut die höchste
Anzahl Kinder und Jugendliche auf.
Das offenkundige Missverhältnis zwischen Schweizer- und Ausländeranteil
an den Schulen ist für junge Schweizer Familien mitunter ein Grund,
das Quartier zu verlassen. Andere wiederum sehen darin eine Chance,
die Sozialisation ihrer Kinder in diesem multikulturellen Umfeld
zu erproben.
Vielfalt von Läden und Lokalen
Das Umfeld hat durchaus seine Qualitäten: Auch wenn es im Quartier
an Bewegungsraum mangelt, gibt es doch immerhin das Kasernenareal,
das, unter dem Druck von Quartierbewohnerinnen und -bewohnern
entstanden, als kleine Erfolgsgeschichte gewertet werden kann
eine Freifläche, deren Verbindung zum Erholungsbereich Rheinpromenade
jedoch noch immer nicht bewerkstelligt ist. Oder man denke an
die Vielfalt von Läden und Lokalen italienischer, spanischer,
senegalesischer oder auch türkischer Herkunft, die im unteren
Kleinbasel in den vergangenen Jahren entstanden sind und das Quartier
bereichern. Im Gegensatz zu anderen Quartieren "lebt" das Matthäus-
und das Klybeckquartier. Allerdings droht sich auch diesbezüglich
das Klima zu verschlechtern: Das alteingesessene Gewerbe hat es
immer schwerer zu bestehen: Muss ein Laden mangels Rendite schliessen,
so gelangt er oftmals in ausländische Hände.
Ob Schweizer oder Ausländer sie sind allesamt Nachbarn der Chemischen
Industrie. Und dies nachhaltig. Dazu gehört auch der Bau der Nordtangente.
Doch zuvor müssen die Anwohnerinnen und Anwohner ein Jahrzehnt
lang die damit verbundenen Immissionen ertragen. Ein ganz anderes
Bild geben da die Glyzinien ab, die derzeit in der dicht befahrenen
Feldbergstrasse auf Initiative der Quartierkontaktstelle für Stadtökologie
hochgezogen werden.
"Mehr Schaden als zumutbar ist"
Diese schon fast symbolträchtige Handlung ein eigentlicher Akt
der Selbstbescheidung könnte allerdings wieder zunichte gemacht
werden, wenn im kommenden Frühjahr entschieden wird, dass die
Abfahrt von der Nordtangente direkt ins Klybeckquartier führen
soll. "Dem unteren Kleinbasel", so schrieb Ruedi Bachmann, Architekt
und altgedienter Quartiersaktivist, der städtischen Baudirektorin
Barbara Schneider im Mai dieses Jahres, "wurde bis heute mehr
Schaden zugefügt als zumutbar ist". Wie viele und welche Leute
diese Empfindung mit ihrem Wegzug ausgedrückt haben, offenbaren
hier nun die sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Sozialausgaben.
Wie", so fragt Bachmann, "kann die notwendige Trendwende vielleicht
doch noch herbeigeführt werden? Vorschlag: mit dem Zusammenwirken
von Behörden und verbliebenen quartieraktiven Menschen, welche
die Erfahrung und Ortskenntnis zu Selbsthilfe und Joint-ventures
anspornen."
Die Basis für solches Tun ist längst schon vorhanden: Die Quartierkontaktstelle,
mehrmals totgesagt, gibt es immer noch. Und im vergangenen Sommer
konnte der Neutrale Quartierverein reanimiert werden.
Symbol Bärenfelserstrasse 28
Die ersten Bürgerinnen- und Bürgerinitiativen im unteren Kleinbasel
lassen sich bis zu Beginn der siebziger Jahre zurückverfolgen.
Die Ziele, die verfolgt wurden beispielsweise die Errichtung
von Wohnstrassen , fassten allesamt eine Verbesserung der Wohnlichkeit
und der Nachbarschaft in den Quartieren des unteren Kleinbasel
ins Auge. Symbol für diese Aktivitäten ist der beinahe zwei Jahrzehnte
dauernde Kampf um die Liegenschaft Bärenfelserstrasse 28, die
schliesslich der Spekulation entrissen wurde.
Die Quartieraktivitäten seien, so Bachmann, zwischenzeitlich stagniert.
Dies änderte sich nach der Sandoz-Katastrophe schlagartig: Mit
"Ökostadt Basel" hat eine Erneuerung der Quartier-Revitalisierungsbewegung
stattgefunden, getragen von breiten und durchaus einflussreichen
Kreisen. Derzeit richten sich die Hoffnungen auf das DB-Areal:
Die Bevölkerung erinnert sich an die Worte von alt Regierungsrat
Christoph Stutz, der der Horburgstrasse nach Fertigstellung der
Nordtangente eine begrünte Strasse mit Läden und Flanierqualitäten
versprach.
Geht es nach dem Willen der Quartierbewohnerinnen und -bewohner,
soll diese Pracht aber nicht am Riehenring enden. Die Bevölkerung
hofft auf eine Steigerung der Lebensqualität, die über sinnvolle
Gestaltung und Nutzung des Areals erreicht werden kann. Gemeint
sind grosszügige Grünflächen, vor allem aber auch eine attraktive
Erschliessung der Langen Erlen.
Christian Fink
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors; copyright Christian
Fink 1997)
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